Donnerstag, 29. November 2007

Expresseinkauf

Gestern musste ich lachen! Ich war im groessten Joga’schen Supermarkt Carrefour eingekehrt, um kleine Computerboxen zu kaufen. Nichts Teures, nur einigermassen taugliche Lautsprecher, um ein bisschen Musik hoeren oder mal einen Film in einigermassen akzeptabler Soundqualitaet geniessen zu koennen. Fuer diesen Einkauf hatte ich so 15 bis 20 Minuten eingeplant. Rein-Kaufen-Raus.

Nach ca. zwei Minuten Aufenthalt in der Filliale der franzoesischen Supermarktkette hatte ich gefunden, was ich suchte und stand nun vor zwei Modellen von Aktivboxen, die mit einem Preis von ca. 6 Euro genau mein eingeplantes Budget trafen. Ich schaute mich um und fand rasch eine Angestellte, die ich fragte, ob ich kurz Probehoeren duerfe, was mit einem ratlosen Blick quittiert wurde und erst nach Ruecksprache mit ihrem Chef entschieden werden konnte, der sich offenbar in irgendeinem Hinterraum aufhielt. Ich frage mich manchmal, ob Angestellte in Indonesien tatsaechlich nicht die geringste Entscheidungskompetenz haben oder ob das selbst so gewaehlt ist.

Antesten konnte ich jene Geraete jedenfalls nicht. Aufgrund des moderaten Preises entschloss ich mich, ein Paar Boxen ungetestet zu kaufen und wandte mich deshalb wieder an die Angestellte. Da jedoch von beiden Modellen nur noch die Ausstellungsstuecke vorhanden waren, musste sie wieder ihren Vorgesetzten konsultieren, weil die Entscheidung, diese letzten Stuecke abzugeben, offenbar wieder ihre Kompetenzen ueberstieg.

Fehlanzeige, ich durfte sie nicht haben. In solchen Momenten muss ich mich immer zusammenreissen, nicht unfreundlich zu werden, deshalb wandte ich mich nur wortlos um und erkundete die naechste Abteilung. Neben LapTops und MP3 Playern stand eine Vitrine mit tragbaren, batteriebetriebenen Boxen,nicht ganz, was ich wollte, aber wie gesagt: ich hatte keine grossen Ansprueche. Ich schaute mir ein mit USB-Stromversorgung betriebenes Produkt an und fragte, ob ich es antesten duerfe. Eine Angestellte ging wieder los, um den unsichtbaren Vorgesetzten aufzusuchen, nach einigen Minuten kam ein Mann mit einem Schluessel und schloss den Schrank auf. Ich nahm die Boxen, schloss sie an einen LapTop an, wofuer ich noch einen weiteren Angestellten auf die Suche nach einem Audiokabel schicken musste. Keiner der Verkaeufer wusste, wie man die hochkomplexe Audio+USB Verkabelung durchfuehrte und so nahm ich dies selbstbewusst und mit dem kuehnen Gefuehl ein ganz schoener Tontechnikexperte zu sein in die Hand. Der Schluesselmann schloss die Vitrine ab und ging.

Die Boxen waren Mist, ich wollte ein anderes Paar, fragte die Angestellte, die den Mann rief, der die Vitrine aufschloss, abschloss und wieder ging und das ganze noch zwei Mal, aber die Boxen waren alle dermassen schlecht, verzerrten oder waren zu leise, dass ich nach einer dreiviertel Stunde alle Boxen getestet hatte und mit leeren Haenden Richtung Kasse ging. Immerhin hatte die Angestellte bis zum Schluss ein Laecheln auf dem Gesicht und es schien ihr ueberhaupt nichts auszumachen, dass ich am Ende meiner schier endlosen Testreihe gar nichts kaufte…

Ich kaufte mir noch ein Wassereis an der Kasse, Meine Begleitung entschied sich fuer einen Pappbecher Eis fand jedoch keinen dazugehoerigen Loeffel. An der Kasse erfuhren wir dann, dass man den Loeffel, der, wie sich nachher herausstellte einfach nur ein Holzstaebchen war, gegen Vorlage des Kassenbons beim Customer-Service-Point erhielt. Bevor wir dort ohne weitere Formalitaeten den versprochenen Loeffel erhielten, gab mir die Kassierin allerdings noch falsches Wechslegeld heraus. Nach einigem Vorrechnen meinerseits sah sie ein, dass sie falsch lag und gab mir meine Rupiah. Mit dem Wassereis in der Hand fuhr ich nach ueber einer Stunde Carrefouraufenthalt die Rolltreppe hoch Richtung Kino und schmunzelte vor mich hin...Deutschland - Servicewueste? ...Vielleicht quantitativ (Zahl der Angestellten etwa ein Zwanzigstel in einem vergleichbaren Supermarkt) ... Deutschland - buerokratisch? Vielleicht kann man sein Visum nicht mit ein paar Stueck Kuchen verlaengern, aber die Eisloeffel-Supply kommt ohne Service Point aus...

Montag, 26. November 2007

von Muell, Fuerzen, Exil und Bestechung




Meine Arbeit verschlaegt mich bisweilen an unkonventionelle Plaetze. Gerade heute habe ich die Muelldeponie Piyungan im Sueden Jogjas besucht, wo ein harmonisches Miteinander von Muellsammlern, Kuehen, Fliegen und weniger auffaellig aber sicher vorhandenen Ratten herrscht. Das ganze riecht unerwartet ertraeglich bis man sehr nah an neu ausgeschuettete und heiss umworbene Muellladungen gelangt, deren Gestank einem augenblicklich die Kehle zuschnuehrt. Ich habe einige Fotos geschossen und werde daraus eine hoffentlich ansprechende Broschuere basteln, ein Hauptbestandteil meiner Arbeit ist naemlich interessanterweise das Schreiben und Designen zweier Broschueren.
Eine andere spannende Geschichte aus meinem Leben trug sich letzte Woche im Kantor Imigrasi (Visabehoerde) zu, wo ich die komplette Belegschaft mit Brot und Kuchen der Jogjakartaschen Szene-Baeckerei Parsleys versorgen musste, um nicht augenblicklich ausgewiesen zu werden: Ich hatte versaeumt, mich bei der Polizei zu registrieren, einen Formfehler in meinem Visumsantragsformular verbrochen und war dummerweise einen Tag spaeter als zum vereinbarten Termin in jener Behoerde erschienen. All dies war fuer den zwischen den Saetzen ruelpsenden zustaendigen Beamten Grund genug, mich des Landes zu verweisen. Auch wenn der ein oder andere sich das vielleicht aufregend vorstellt (ich bekam eine SMS, deren Absender ich aus Respekt vor dessen Privatssphaere fuer mich behalte:
GRUSS VOM SCHREIBTISCH.MEIN JOB DUEMPELT SO VOR SICH HIN, ABER IRGENDWIE LIEGT VERAENDERUNG IN DER LUFT.VIELLEICHT AUCH WEIL ICH GERADE GEFURZT HAB.ICH WUERDE JEDENFALLS GERAD GERN DES LANDES VERWIESEN WERDEN....)
war ich schockiert und voller Sorge. Gluecklicherweise konnte mir mein Kumpel und Visa-Sponsor den Kopf aus der Schlinge ziehen und so kam es zu der Bestechung und meiner anschliessenden Visaverlaengerung. Da war ich erstmal ziemlich verwirrt (...und hab Mutter Oxaldo angerufen :]).

Ich bitte noch um Beachtung meiner link Liste. Ich habe schon vor laengerem den Link zu Trips Blog draufgepackt. Er ist nach Bangkok gezogen und schreibt interesante Alltagserlebnisse eines sich-in-der-Fremde-zurechtzufinden-Versuchenden.
Der zweite link ist von einem Kollegen, der sich auf seinem Blog selbst als abgefuckt beschreibt und dies in englischer Sprache dokumentiert.

Die Frage, ob je jemand aufgrund eines Furzes ins Exil geschickt wurde, bleibt heute aber ungeklaert und darf in diesem Onlineforum diskutiert werden.


Donnerstag, 8. November 2007

Wenn ich Motorrad fahre, werd ich zum Soziologen.

Ich hab mal einige von meinen zugegebenermassen verallgemeinernden und absolut subjektiven Beobachtungen, Erfahrungen, Thesen und Erkenntnissen der letzten Monate zusammengestellt.
Bule ist, um das nochmal zu erklaeren, die Bezeichnung fuer alle westlich aussehenden Menschen (Europa, Amerika, Australien...) und auch wenn ich dieses Konzept anfangs voellig bescheuert fand, weil es Menschen aus mindestens drei unterschiedlichen in einen Topf wirft, benutze ich den Begriff hier trotzdem, weil "der Indonesier" schliesslich auch Menschen unterschiedlichster ethnischer und sprachlicher Herkunft umschliesst.

- Wenn ich Motorad fahre werd ich zum Soziologen. Der Strassenverkehr stresst, weil die Leute in der anonymen Auto- und Motorradmasse zu egoistischen, ruecksichtslosen Arschloechern ohne jegliches Sozialgefuehl werden. Ganz kontraer zur sonst so omnipraesenten und bisweilen als von mir voellig uebertrieben empfundenen Hoeflichkeit.
- Fast immer fragen Indonesier erst alle im Raum sitzenden, ob sie schon gegessen haben oder sagen wenigstens ”Ich esse schon mal” bevor sie anfangen zu essen -nicht im Restaurant.
- In Deutschland und unter Deutschen ist es cool und zeugt von Haerte, Disziplin oder einfach nur Maennlichkeit wenn man unheimlich scharfes Essen aushalten kann. Jedoch fuehrt jedes Essen, das jenseits der eigentlichen Schmerzgrenze zu sich genommen wird, einige Stunden Verdauungsvorgang spaeter zu unglaublichen Schmerzen, was mich mittlerweile davon ueberzeugt hat auf solche letztendlich masochistischen Mahlzeiten zu verzichten.
- In Indonesien essen schon kleine Kinder so scharf, dass es den meisten gestandenen deutschen Maennern die Traenen in die Augen treiben wuerde.
- Indonesier haben keine Vorstellung, wie kalt es in Deutschland ist und empfinden schon als bitterkalt, was in Deutschland noch als ein warmer Fruehlingstag durchgehen wuerde.
- Ruelpsen ist in Indonesien wesentlich salonfaehiger als Naseputzen.
- Man sieht unglaublich oft Menschen bei der Arbeit chatten.
- Ein Handy wird nie auf lautlos gestellt und Anrufe sind grundsaetzlich anzunehmen, selbst wenn einen die Freundin, die Tochter oder ein Kollege waehrend eines Vortrags, den man haelt, anruft, einen voellig unserioesen Klingelton erschallen laesst und private Konversationen um irgendwelche Unwichtikeiten vom gesamten Publikum aufmerksam verfolgt werden.
- In Indonesien wird sich viel weniger aufgeregt. Selbst Dinge, die man als extrem unsinnig, unfair, unflexibel oder unfreundlich empfindet, werden von Indonesiern meistens lieber ausgehalten als angeprangert. Ein sich aufregender Bule in einem Internetcafe, in dem gerade der Strom ausgefallen ist und die Arbeit von Stunden zu nichte gemacht hat wirkt irritierend.
- Indonesier putzen staendig irgendetwas (auch ihre Kinder).
- Partys und Alkohol sind prinzipiell etwas Suenden-beladenes.
- Auf wirklich indonesischen Feiern (also nicht in suendhaften Clubs) ist Essen wesentlich wichtiger als Trinken.
- Die indonesische Fanta ist fuer einen Deutschen ungeniessbar suess.
- Viele Indonesier haetten gerne einen Bule zum Freund (hier rein platonisch gemeint). Der Anfreundungsprozess wird aber in 99% der Faelle so devot angegangen, dass man sich als Bule so unbehaglich fuehlt, dass eine Freundschaft in weite Ferne rueckt.
- Soweit ich weiss glauben alle Indonesier, die ich kenne, an Geister.
- Es wird als verwirrend empfunden, dass Bules vor kleinen Kaefern, Maeusen und Ratten, nicht aber vor Geistern Angst haben.
- Meine Orts- und Sprachkenntnissen korrelieren: Immer wenn ich das Gefuehl hab, mich auszukennen entdecke ich weitraeumige Regionen, die mir voellig unbekannt sind.

- Je heisser es wird, desto mehr Kleidung traegt der Indonesier.
- Manchmal hat man das Gefuehl, Indonesier haben einen Schalter am Gehirn, mit dem man es an- und ausschalten kann. Wenn das tatsaechlich der Fall sein sollte, dann ist dieser in der Gastronomie, vor allem beim Annehmen von Bestellungen, meistens ausgeschaltet.

- Es ist bestimmt geschaeftsschaedigend, zu viele Angestellte einzustellen. Die quatschen nur untereinander und arbeiten unmotiviert. Fast alle Supermaerkte, Geschaefte und Restaurants haben meiner Meinung nach zu viele Angestellte...also wenn ich der Betreiber waere. Fuer die Leute ist es wahrscheinlich besser, da es -wenn auch schlecht bezahlte- Jobs schafft.
- Indonesische Kellner sind meistens sehr unflexibel, was kleinste Spezialwuensche bei Essensbestellungen angeht. Ein Gericht ist ein Gericht und wird nur auf diese Weise serviert. siehe Schalter.


Schon wieder viel zu lang...Kommentare erwuenscht, schuess!